3. PM BAU Symposium – ein Rückblick

Das Bauvertragswesen stand im Mittelpunkt des diesjährigen PM Bau Symposiums am 19.Juni 2008, das die Bau-, Infrastrukturbranche und Rechtsanwälte zu einem interessanten Informations- und Erfahrungsaustausch anzog. Die Dynamik im Bauervertragswesen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ein zentrales Ergebnis einer 5-jährigen intensiven Diskussion in und um den Normenausschuss ist die Verabschiedung der neuen ÖNORM-Entwürfe B 2110 und B 2118 unmittelbar vor diesem Symposium als erste Fachveranstaltung in der die Ergebnisse mit einem Fachpublikum öffentlich diskutiert wurden.

Das 3. PM Bau Symposium schloss an die Erfolge der vorangehenden an und antwortete mit der Themenwahl auf neue Entwicklungen im Bauvertragswesen. Insbesondere die Gestaltung und Umsetzung von Verträgen in der Baubranche wurde anhand der internationalen Vernetzung von Abwicklungs- und Vertragsmodellen hinsichtlich der Möglichkeiten der Interpretation und Anwendung in Österreich beleuchtet. Das Publikum aus 250 Fachleuten konnte nicht nur interessante neue Inputs mitnehmen sondern in den weiterführenden Diskussionen auch Erfahrungen austauschen und ausreichend das persönliche Netzwerk pflegen und auswerten.

Dipl.-Ing. Peter Scherer [Geschäftsstelle Bau] hob in seiner Begrüßung die Aktualität des Themas hervor und verband die Veranstaltung mit dem Auftrag der Wirtschaftskammer zur Wissensvermittlung und der führenden Rolle als Anbieter bauspezifischer Bildung. Das Symposium steht dabei über der Grundausbildung als Zusatzqualifizierung für Mitarbeiter und Führungskräfte. Zurückkommend auf das Veranstaltungsthema spezifiziert er die Entwicklung der Vertragsgrundlagen als notwendige Antwort auf die Herausforderung des Kostendrucks auch im Zusammenhang mit der positiven Entwicklung der Wirtschaftssituation.

Neue Entwicklungen im Bauvertragswesen

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Arnold Tautschnig [Universität Innsbruck] leitete durch den Vormittag zu den Schwerpunkten Neue Entwicklungen im Bauvertragswesen – der aktuelle Stand der Normenentwicklung in Österreich und Auswirkungen auf die Praxis.

Die Veranstaltung wurde von Ing. Christian Lang [Stadt Wien – Stadtbaudirektion, Vorsitzender ONK 015] mit dem aktuellsten Thema Weiterentwicklung der Bauvertragsnormen mit dem Fokus auf den Überblick über den aktuellen Stand aus der Sicht des Bauherrn eröffnet. Im ON-Komitee 015 „Verdingungswesen“ wurde mit der Ausgabe der ÖNORM B 2110 eine den aktuellen Anforderungen der Baupraxis angepasste Normung entwickelt, die als Gründruck derzeit vorliegt. In seinen Ausführungen behandelte Lang die Grundsätze der Arbeit im Normenausschuss wie Kontinuität aufgrund der langen Tradition aber auch Aktualität, insbesondere vor dem Hintergrund der allgemeinen Rechtsanlage. Die Überarbeitung und Neuauflage der für Bauleistungen jeder Art und Größenordnung passenden, allgemeinen Vertragsbestimmungen folgt dem Trend der modernen Betrachtung und Abwicklung von Bauprojekten. Die historisch gewachsene Struktur der ÖNORM B 2110 hat aufgrund der vielen Überarbeitungen der vergangenen Jahrzehnte an Übersichtlichkeit verloren. Die neue Struktur ist neben der Neufassung der Regelungen über die Vorgangsweise bei Leistungsänderungen die markanteste Neuerung.

FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Doris Link [FH Campus Wien] schloss an die Ausführungen des Vorredners an unter dem Aspekt der Leistungsabweichungen in den neuen Bauvertragsnormen und bezog sich dabei auf die die Entwicklungen der ÖN B 2110, ONR 22117 (Verfahrensanleitung für Mehr- und Minderkostenforderungen im Zusammenhang mit dem Baugrund ) und die ÖN B 2118 (Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen unter Anwendung des Partnerschaftsmodells, insbesondere bei Großprojekten). Sie erläuterte die wesentlichen Eingriffe in die Bestimmungen der ÖN B 2110 zu den Leistungsänderungen (Pkt. 5.24) und ging dabei auf die Interpretation der im Detail geänderten Nomenklatur ein.

Mit Dipl.-Ing. Dr. Jörn Wisser [Alpine Bau GmbH] wurde die neue Normung aus dem Blickwinkel des Auftragnehmers analysiert. Dabei konzentrierte er sich anfangs auf die Grenzen der Norm, wie z.B. den Fokus auf konstruktive Leistungsbeschreibungen oder das PPP-Modelle (Public-Private-Partnerships) nicht eigens behandelt werden, aber diese auf der Basis der B 2110 grundsätzlich abgewickelt werden können. Weiters stellte er die Frage, ob es überhaupt unterschiedliche Ansprüche an eine Norm aus Sicht des Auftraggebers und des Auftragnehmers geben darf. Er zeigte die Verbesserungen und Verschlechterungen gegenüber alten Bestimmungen für den Auftragnehmer auf. Als das neue Kernstück hob er die Definition des Leistungsumfangs und Leistungsziels hervor. Für die praktische Umsetzung empfiehlt er Schulungen und die Umstellung von Musterverträgen. Die fachlichen Kommentare und die praktische Erfahrung in der Anwendung werden den neuen Regelwerken erst das Zeugnis ausstellen.

Praktische Erfahrungen mit den neuen Vertragsformen

Den Block 2 mit dem Schwerpunktthema der Anwendung von neuen Vertragsformen national und international leitete Dipl.-Ing. Dr. Thomas Mathoi [FH JOANNEUM] ein. Bei der Behandlung neuer Projektabwicklungs- und Bauvertragsmodelle stellte er die ideologische Veränderung von den traditionellen Methoden mit Einzelinteressen hin zu innovativen und alternativen Ansätzen im Sinne eines gemeinsamen Interesses für ein Projekt als Basis für neue Modelle in den Vordergrund. Diese werden in Österreich nur selten angewendet. Eine Umorientierung in Richtung partnerschaftlicher Projektabwicklung und möglichst frühzeitiger Integration von Realisierungs-Know-how in eine von Auftraggeber und Auftragnehmer zu erstellende Planung zur Optimierung des Projektes in funktioneller und qualitativer Hinsicht erscheint auf den ersten Blick wenig akzeptiert. Er stellte Erfolg versprechende Neuentwicklungen hinsichtlich der Projektabwicklung und der vertraglichen Regelungen samt Vergütungsformen aus dem angloamerikanischen Raum vor und führte die Grenzen der Übertragbarkeit in die heimische Bauwirtschaft an.

Mit David Allen, BSc (Hons), CEng. [Turner & Townsend Contract Services] und Dipl.-Wirtsch.-Ing. Florian Krauß [Turner & Townsend GmbH] wurde der internationale Charakter der Veranstaltung unterstrichen. Die Vortragenden interpretierten den Charakter und die Anwendungserfahrungen mit NEC (New Engineering Contract) anhand den UK. Die Hauptanker der Vertragsform sind Flexibilität für alle Gewerke mit und ohne Planungsverantwortung, Klarheit / Einfachheit durch Maßnahmen zur Lesbarkeit von Nicht-Juristen sowie Anreize / Nutzenoptimierung im Sinne der partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Klares Differenzierungsmerkmal zu anderen Vertragswerken ist die vorausschauende, problemvermeidende und damit risikominimierende Ausrichtung der Projektabwicklung. Der Vertrag wird damit zum Handbuch für das Management der gemeinsamen Arbeit. Durch den Aufbau in einzelnen synchronisierten Bausteinen kann die individuelle Anforderung jeweils zusammengesetzt werden. Bei der Bewertung der praktischen Umsetzung wurden Beispiele von herausragenden und komplexen Großprojekten herangezogen, um die Erfolgsfaktoren - partnerschaftliches Modell und partnerschaftliche Kultur - für die Anwendung zu konkretisieren.

Einen Bogen zum 2. PM BAU Symposium spannte der Beitrag von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Walter Lunzer [PEF Privatuniversität] über die praktischen Erfahrungen mit neuen Vertragsformen in der Projektentwicklung. Mit der Abgrenzung, dass die Projektentwicklung zeitlich vor der Ausführung passiert, definierte Lunzer, dass der Bauvertrag selbst kein Bedürfnis der Projektentwicklung ist. Als Parallelität zu den relevanten Verträgen in dieser frühen Projektphase und dem Bau führte er den Aspekt der nicht delegierbaren Leistungen an. Als Beispiel für ein integriertes Modell über die Projektphasen hinweg kann der TU-Pauschalvertrag mit Bonus-Malus-System verstanden werden. Dabei wird die Vergütung über die erzielbaren Mieten variiert. Grundsätzlich ist die Projektentwicklung hinsichtlich innovativer Vertragsmodelle offen und initiiert diese auch oft, so dass sich im Gegensatz zur Ausführung weniger Akzeptanzprobleme und Widerstände ergeben.

Internationale Verträge als Herausforderung für österreichische Unternehmen

Durch den ersten Nachmittagsblock Internationale Verträge als Herausforderung für österreichische Unternehmen – vom FIDIC-Vertrag bis zur HOB  - stimmte Univ.-Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Oberndorfer das Publikum auf die Herausforderungen von Bauen im Ausland – fremde Menschen, fremde Materialien, fremde Klima und fremde Verträge – ein.

Dipl.-Ing. Dr. Herwig Schwarz [PORR] konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Baurisiken im Rahmen von internationalen PPP-Projekten, wobei er diese als Konzessionsmodelle versteht, bei denen die öffentliche Hand eine Konzession, also ein Recht, für die Planung, Errichtung, Finanzierung sowie den Betrieb und die Unterhaltung eines Infrastrukturprojektes öffentlich ausschreibt und an einen privaten Partner vergibt. Als die besondere Herausforderung aus Sicht eines Konzessionsnehmers bzw. -bewerbers sah Schwarz das Delta zwischen einem hohen Risiko und einem geringen Informationsstand. Als weitere Risiken bzw. erforderliche Maßnahmen wurden auszugsweise die Schnittstelle bei Bodenrisiken, die Vorhersehbarkeit von Behördenverfahren, die Notwendigkeit von lokalen Planern und bei Alternativen gesondert das Genehmigungsrisiko identifiziert. Für das Risikomanagement-System selbst sind ein möglichst umfassendes Bild der Risikolandschaft sowie das Controlling zentrale Elemente des Erfolgs. Risikomanagement ist bereits bei der Angebotsabgabe relevantes Steuerungsinstrument.

Aus der Erfahrung von Dipl.-Ing. Walter Neurathner [STRABAG] wurde das internationale Vertragswerk FIDIC beleuchtet. Dabei wurden die Ziele der Organisation selbst sowie Grundlagen, Ansprüche und Unterschiede der Standardverträge (red, yellow, silver book) erklärt. Neurathner ging dabei auf die jeweiligen Vorteile für die Auftraggeber und Auftragnehmer ein. Die Funktion und Einbindung des Engineers in die Projektorganisation als Besonderheit sowie das Verständnis über und der Umgang mit Nachträgen wurden beispielhaft erläutert. Als Resümee aus Sicht der Anwendung verwies er auf die einheitlichen Definitionen und Strukturen, so dass die FIDIC-Verträge im gesamten leicht zu verstehen sind, wenn die Ideologie einmal verinnerlicht wurde.

Die Grundlagen für den Vortrag zur Umsetzung internationaler Bauverträge aus der Perspektive der Praxis sammelte der Vorstandsdirektor Dipl.-Ing. Hubert Friewald [STRABAG] aus seiner langjährigen Erfahrung. Er definierte zu Beginn sein Verständnis von Vertragsmanagement prägnant mit der Aussage „Wir erfüllen Verträge. Dabei entstehen Bauwerke.“ Dem Publikum gab er unterschiedliche Empfehlungen für den Umgang mit und die Interpretation von Verträgen im Ausland – wie die Analyse der hinter Bauverträgen liegenden Finanzpläne, den laufenden Vergleich von Leistung und Vertragsgegenstand und die Einbeziehung einer lokalen Rechtsunterstützung bei Vertragsanalysen. Er wies auf die Problematik hin, dass vertragliche Widersprüche mit dem geltenden Landesrecht gerade im Ausland nicht umsetzbar sind. Weiters riet er zur Achtsamkeit bei augenscheinlich fairen Risikoteilungen, da diese mit Formalanforderungen ausgehebelt werden können.

Einen Vergleich zwischen ÖNORM und dem deutschen Pendant VOB stellte Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hans Lechner [TU Graz] in seinen Ausführungen an. Die Gegenüberstellung zeigte einen partiellen Vergleich zwischen den in Deutschland geltenden Verdingungsnormen und der in Österreich geltenden Rechtslage. Dabei ging er sowohl auf den Aufbau, den Geltungsbereich für öffentliche und private Auftraggeber als auch auf die Inhalte ein. Besonders in den Details wurde der starke Unterschied ersichtlich, der sich durch das Fehlen einer einheitlichen und durchgehenden europäischen Regelung ergibt.

Strategisches Claim Management

Den letzten Themenblock führte Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Andreas Kropik [TU Wien] mit seinem Überblick über Claim Management in der Angebotsphase und dessen Bedeutung für die Vertragsabwicklung an. Dabei vertrat er einen systematischen Zugang zu Claim Management auf wirtschaftlicher und rechtlicher Basis bereits in der Angebotsphase, um die Chancen des Unternehmens auf Verbesserung seines Abrechungsergebnisses zu erhöhen. Als Grundlage grenzte er das Kalkulationsrisiko des Auftragsnehmers und das Beschreibungsrisiko des Auftraggebers ab. Der Ansatz des strategischen Claim Managements setzt jedoch voraus, dass seitens des Unternehmens eine Bereitschaft für Risiko besteht. Einen Fokus legte er auch auf die Nachweispflicht bei Abweichungen von der Ausschreibung (Umstände, objektive Annahme und Kalkulation).

Die Fachvorträge schloss FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Rainer Stempkowski [FH JOANNEUM] mit seinem Ansatz über Anti Claim Management oder die gemeinsame Suche nach Optimierungspotenzial z.B. mit Value Engineering. Dabei ging es nicht um Tipps und Tricks, wie der Bauherr dem Auftragnehmer möglichst viel von seinen Forderungen herunter streicht, sondern wie auf Basis eines strategischen Ansatzes versucht werden soll alternative Lösungsmöglichkeiten zu reinen Claim-Abwehr zu finden. Damit wird das Ziel verfolgt, einerseits unnotwendige Mehrkostenforderungen schon durch Maßnahmen vor Baubeginn zu vermeiden und andererseits in der Bauphase gemeinsam mit dem Auftragnehmer nach Optimierungspotential im Sinne von Minderkostenforderungen zu suchen und schließlich diese und Value Engineering Ideen konkret abzuwickeln.

Ausblick 4. PM BAU Symposium

Die Symposiums-Reihe der Veranstalter Netzwerk Bau mit der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer Österreich, BAUAkademie, den Hochschulen TU Wien, TU Graz, FH JOANNEUM wird am 18. Juni 2009 in Wien weitergeführt mit dem Schwerpunktthema Kostenmanagement – Kostenplanung, -steuerung, -optimierung und Lebenszykluskosten im Hoch- und Infrastrukturbau.